März 8

Bepops Abenteuer

Bepops Abenteuer

Die Welt ist für alle da – sollte man meinen. Doch schaut man sich um, stellt man fest. Hauptsächlich breitet sich der Mensch aus. Die Tiere und Pflanzen sind für den Menschen nur Mittel zum Zweck. Darum tauchen wir jetzt in die für den Menschen unbekannte Welt der “ Anderen “ ein. So sehen wir vielleicht irgendwann unsere Umgebung mit anderen Augen.
Bepop kratzte sich am Hals. Dieses lästige Ding, was seine Kehle zuschnürte, war einfach nicht mit seinen hilflosen Pfoten zu entfernen.
Verzweifelt sah er zu seinem Menschen auf, um ihm zu signalisieren:
„Mach mir endlich das Ding ab!“
Doch wie er es schon geahnt hatte, reagierte der Mensch völlig verkehrt. Er lächelte ihn nur an und streichelte ihn.
„Blöder Mensch, du verstehst auch gar nichts!“
Missmutig trottelte er durch die offen stehende Tür nach draußen. Er reckte seine Nase in die Höhe und schnupperte:
„Oje, es gibt gleich Regen“, dachte er und rannte so schnell ihn seine kurzen Dackelbeine tragen konnten zu seinem Lieblingsbaum, um sein Revier neu zu markieren. Als er sein Beinchen hob, ächzte der Baum und säuselte:
„Nicht du schon wieder! Du verätzt mir ja komplett meine Wurzeln mit deinem ewigen Gepinkel!“
„Ach stell dich doch nicht so an, ich rieche genau, dass hier jemand anderes vor mir war“. „Das mag ja sein, meinen Wurzeln ist das aber egal. Es brennt so oder so. Also such dir gefälligst eine andere Stelle aus.!“
Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, ließ er ein paar Früchte von seinen Ästen fallen, die Bepop nur mit einem mutigen Satz entkam. Mit Apfelluna war heute nicht gut Kirschen essen. So machte er sich auf dem Weg zu seinem nächsten Baum. Er kroch unter dem Zaum des Gartens hindurch und rannte über das angrenzende Feld. Es war Herbst und das Feld war von den Bauern abgeerntet, so dass nur noch die Stoppeln zu sehen waren. Bepop hüpfte von einer Furche zur nächsten und scheuchte so einen Hasen auf, der sich friedlich mümmelnd in eine Furche zum Ausruhen gelegt hatte. Erschrocken sprang dieser auf und wollte fliehen, doch da erblickte er Bopop und verharrte abwartend bis sich er näherte.
„Na du Halsbandheini, wieder auf Schlür?“
Bepop knurrte;
„Reiz mich nicht, sonst beiß ich dir in deine Schlappohren!! Wenn ich könnte, hätte ich das Ding schon längst abgemacht, aber es geht einfach nicht und mein Mensch ist einfach zu dumm, um zu verstehen, was ich will und was nicht!“
Mitleidig schaute Blumenschwanz ihn an:
„Das ist der Preis der Gefangenschaft. Jeder macht mit dir, was er will.“
„Na ja, mein Mensch ist ja ganz in Ordnung, bis auf die üblichen Macken, die wohl jeder Mensch hat. So wie meine Freunde sagen, glauben die ja alle, sie tun uns nur Gutes. Aber na, ich kann ja nicht klagen, ich kann ja laufen wie ich will. Berno, der große Jagdhund, er dich gerne jagt, muss den ganzen Tag im Haus bleiben. Wenn der mit seinem Mensch spazieren geht, hat er gleich Muskelkater, weil ihm die Bewegung fehlt.“
„Na toll“, erwiderte Blumenschwanz, „wenn der große Kerl Auslauf bekommt und mich jagt, hängt mir regelmäßig die Zunge aus dem Hals. Von mir aus kann der ewig im Haus bleiben. Der glaubt doch, ich hätte weiter nichts zu tun, als mit ihm um die Wette zu laufen“, jammerte Blumenschwanz.
“ Nimm es nicht so schwer, er meint es ja nicht böse“, tröstete ihn Bepop.
„Das glaubst auch nur du! Jeden Herbst machen seine Brüder Jagd auf mich, und das ist durchaus lebensgefährlich für mich. Letztes Jahr wurde mein Bruder von ihnen getötet, hast du das vergessen?“
„Nein, aber Berno ist doch viel zu blöd dazu. Erinnerst du dich nicht daran, als er dich das letzte Mal unfreiwillig aufgescheucht hat? Da ist er doch selbst vor lauter Schreck in Ohnmacht gefallen! Sein Mensch musste ihn doch anschließend nach Hause tragen, weil er sich nicht mehr bewegen wollte.“
Blumenschwanz lächelte:
„Ja, das stimmt, aber trotzdem, manche Hunde werden von den Menschen so gegen uns aufgehetzt, dass unser Leben ständig durch sie in Gefahr ist.“
„Ja, da hast du wohl recht“, stimmte Bepop ihm zu. Auf einmal spürte Bepop ein Beben unter seinem Körper und machte vor Schreck einen Satz zur Seite. Erstaunt sah ihn Blumenschwanz an:
„Was hast du denn?“, fragte er.
„Ich glaube es gibt ein Erdbeben, die Erde unter mir bewegt sich“, erwiderte Bepop.
Ein großer Erdwall türmte sich vor ihnen auf und die beiden wichen erschrocken zurück. Plötzlich erschien eine braune Nase schnüffelnd an der Oberfläche und sprach die beiden an.
„Na, was schaut ihr denn so verschreckt drein?“
Erleichtert erwiderte Bepop:
„Ach du bist es, Grabekriecher, ich dachte schon, es gäbe ein Erdbeben.“
„Danke, danke für das Kompliment, aber so stark bin ich doch noch nicht, aber ich habe schon das halbe Feld aufgelockert“, lächelte Grabekriecher stolz.
„Hey sag mal, warst du die letzten Tage bei unserem Nachbar im Garten?“ fragte Bepop.
„Oh ja, “ erwiderte Grabekriecher zornig,
„Mit dem bin ich fertig, da lockert man ihm die Erde auf, und was macht er?! Er verqualmt mir die Gänge, so dass ich fast eine Rauchvergiftung bekommen hätte! Mit letzter Kraft konnte ich mich noch aus der Gefahrenzone entfernen! Ich muss immer noch ab und zu husten!“
Und – um seine Aussage zu bekräftigen, hustete Grabekriecher ausgiebig.
„Okay, wir glauben es dir!“, erwiderte Bepop und machte einen Schritt zur Seite, da Grabekriecher gänzlich aus seinem Loch krabbelte. Grabekriecher schnüffelte in die Luft und sagte bedauernd:
„Ich glaube unser Pläuschen wird kurz, es riecht gewaltig nach Regen!“
Nun schaute auch Bepop zum Himmel hinauf und platsch traf ihn ein dicker Regentropfen direkt auf die Nase. Blumenschwanz schreckte auf, als auch ihn die ersten Regentropfen trafen und sagte schon im Wegrennen:
„Ich flitze zum Wald, dort habe ich meinen Bau, in dem es trocken ist!“
Grabekriecher flüchtete fluchend zurück in seinem Gang und murmelte nur noch;
„Hoffentlich stürzen mir meine frisch gebuddelten Gänge nicht wieder ein.“
Verdutzt schaute Bepop hinter beiden drein und setzte sich dann auch in Bewegung. Allerdings war er noch unentschlossen, in welcher Richtung er nun laufen sollte. Wieder nach Hause oder doch besser zum Wald, der näher war. Der Regen nahm ihm seine Entscheidung ab, denn es schüttete jetzt wie aus Eimern. Also hüpfte er so schnell ihn seine kurzen Dackelbeine tragen konnten über die Furchen des Feldes zum nahe gelegenen Wald. Natürlich war er völlig durchnässt, als er die Bäume erreichte, die mit ihren dichten Blättern den Regen kaum eine Chance ließen, den Waldboden zu erreichen. Er schüttelte sich kräftig, sodass das Wasser zum größten Teil wieder aus seinem dichten Fell herausgeschleudert wurde. Allerdings stellte er fest, dass sein Bauch voller Erde vom Acker war. Er war so richtig schön dreckig. Wäre er nach Hause gerannt, hätte sein Mensch garantiert einen Anfall bekommen. Dieser konnte es überhaupt nicht leiden, wenn er so verschmutzt war. Sicherlich hätte der Mensch ihn sofort in die Badewanne gesteckt. Bei dem Gedanken schüttelte sich Bepop nochmals. Er hasste das Baden. Er mochte es gar nicht, wenn er bis auf die Haut nass wurde. Außerdem benutzte sein Mensch so ein komisch riechendes Mittel, was tagelang an seinem Fell haftete. Sein Mensch sagte dann immer zu ihm, er röche gut. Aber Bepops Freunde lachten ihn aus, wenn er mit dem Geruch um die Ecke kam. Oft blieb er darum so lange im Haus und ging nur kurz nach draußen um seine Notdurft zu verrichten, bis der Geruch verflogen war und er seinen ureigenen Geruch wieder hatte. Warum dachten die Menschen immer, dass die Tiere auch so riechen sollten wie sie? Für Bepop stanken die Menschen alle erbärmlich. Na ja, an dem Geruch seines Menschens hatte er sich inzwischen gewöhnt. Aber den Geruch des Nachbarn fand er unerträglich. Dauernd qualmte er aus dem Mund und krächzte unangenehm dabei, sodass sich Bepops Nackenhaare jedes Mal sträubten und er fluchtartig das Weite suchte. Ein lauter Donner, begleitet mit einem Blitz ließen Bepop erschrecken. Er krabbelte unter einem Busch und zitterte vor Angst. Er hörte, wie ein Baum in seiner Nähe ächzte und ein Ast krachend zu Boden fiel. Er hasste diese unheimlichen Geräusche, die aus dem Himmel kamen und für ihn völlig unerklärlich waren. Er machte sich so klein wie möglich und hoffte, dass es schnell wieder vorübergehen würde. Doch der ohrenbetäubende Lärm hörte nicht auf, im Gegenteil, es krachte und donnerte, als würde der Untergang der Welt eingeläutet. Die Tiere im Wald waren verstummt. Kein Vogel zwitscherte mehr. Bepop vernahm nur das laute Klatschen der dicken Regentropfen auf den Blättern der Bäume. Inzwischen hatte der starke Regen es geschafft, durch den dichte Blätterwald bis auf den Waldboden vorzudringen. Ein dicker Tropfen platschte wieder direkt auf Bepops Nase. Unwillkürlich musste er niesen. Er kroch rückwärts weiter ins Gebüsch. Dabei merkte er, dass sich hinter ihm eine kleine Höhle befand, die in die Erde ging. So schob er sich vorsichtig hinein, um Schutz vor den Regen zu finden. Als nur noch seine Schnauze herausschaute, war er zufrieden und schloss erschöpft die Augen. Irgendetwas riss und biss ihn im Schwanz. Bepop wachte davon auf und knurrte böse. Er brauchte einen Moment bis er wusste, wo er sich befand. Er lag nicht in seinem weichen, kuscheligen Körbchen, sondern steckte in einem kleinem Sandloch. Mühsam versuchte er, sich darauf zu befreien, was gar nicht so einfach war. Während er sich herausquälte, zwickte ständig irgendetwas an seinem Schwanz. Er jaulte verzweifelt. Der weiche Waldboden machte es ihm nicht leicht, herauszukrabbeln, denn die nasse, aufgeweichte Erde gab immer wieder nach. Als er es endlich geschafft hatte, seinen Körper vollends aus dem Loch zu befreien, war er völlig außer Atem. Er drehte sich um, um festzustellen, wer so unverschämt an seinem Schwanz gebissen hatte. Zu seiner Überraschung erschien der Kopf von Blumenschwanz.
„Hey! Was beißt du mich in den Schwanz!“, empörte er sich.
„Wieso verstopft du mit deinem dicken Hintern unseren Ausgang?“, erwiderte Blumenschwanz erbost und hoppelte aus der Höhle, dabei schüttelte er sich den Sand aus dem Fell.
„Sieh dir mal an, was du angerichtet hast! Der ganze Eingang ist aufgewühlt und kaputt!“
„Na hör mal! Woher sollte ich denn wissen, dass ihr darin wohnt! Ich habe doch nur Schutz vor dem Regen gesucht!“, verteidigte sich Bepop, dabei schaute er sich den aufgewühlten Sandhaufen an, der sich am Zugang zum Bau türmte. Nun bekam er doch ein schlechtes Gewissen und bot an, ihm beim Ausbessern zu helfen. Doch Blumenschwanz schüttelte mit dem Kopf:
„Nein, ich denke, wir müssen umziehen, denn das Loch ist nun so groß, dass unsere Feinde hinein können. Ich werde gleich mal losziehen, um einen geeigneten Ort zu finden.“
„Das wollte ich wirklich nicht!“, entschuldigte sich Bepop.
„Tja, man kann auch ungewollt etwas anrichten. Aber ich verzeihe dir.“ Bopop bellte erleichtert. Das Gewitter hatte aufgehört. Der starke Regen hatte sich in einem leichten Nieseln verwandelt. In der Nähe begann ein Vogel auf einem Baum aus vollem Hals zu singen:
„Ich bin der größte, ich bin der schönste, ich bin der beste hier im ganzen Wald!“ Bepop blickte nach oben, um den Schreihals zu entdecken. Es dauerte einige Zeit, bis er den kleinen Piepmatz auf einem Ast entdeckte. Er bellte:
„Hör auf mit dem Geschrei. Uns kannst du nicht damit beeindrucken!“
„Ich bin der größte, ich bin der schönste, ich bin der beste hier im ganzen Wald!“, wiederholte er ohne Unterbrechung. Nun begannen auch die anderen Vögel aus vollem Halse zu singen. Bepop schüttelte knurrend seinen Kopf, denn die Vögel sangen alle denselben, maßlos übertriebenen Text.
Plötzlich hob Blumenschwanz schnüffelnd seine Nase in die Höhe und flitzte so schnell ihn seine Beine tragen konnten, wieder in seinem Bau. Verblüfft schaute Bepop ihm nach.
„Was war denn in dem gefahren?“, fragte er sich verwundert. Die Antwort erhielt er ziemlich schnell, denn ehe er sich versah stand mit bleckenden Zähnen der ungehobelte Rotfuchs Reineke vor ihm. Erschrocken wich er zurück und rutschte mit seinen Hinterpfoten in dem Loch, in dem Blumenschwanz verschwunden war. Mutig kläffte er ihn an, während er sich aus seiner misslichen Lage befreite. Erneut wühlte er dadurch die Erde auf, aber verkleinerte gleichzeitig die Öffnung. Er schüttelte sich den klebrigen Sand aus dem Fell, wobei einige Klumpen der nassen Lehmmasse Reineke direkt ins Gesicht flogen. Er wich wütend zurück:
„Was soll das? Willst du dich mit mir anlegen?“
„Nein, nein!“, erwiderte Bepop erschrocken, “ das Schütteln war nur ein Reflex. Ich muss jetzt auch gehen!“
Mit diesen Worten machte er sich so schnell er konnte mit seinen kurzen Dackelbeinen aus dem Staub, dabei spitzte er seine Ohren, um festzustellen, ob der Fuchs ihm folgte. Zu seiner Erleichterung hörte er aber nichts dergleichen. Er gelangte wieder auf das Stoppelfeld und verlangsamte seinen Lauf. Ängstlich sah er zum Wald zurück. Da! Es knackte im Gehölz! Er duckte sich, in der Hoffnung, dass er nicht gesehen werden würde, denn er wusste, in einem Wettlauf mit Reineke hatte er keine Chance. Er erinnerte sich noch schmerzlich an die letzte Begegnung. Sie endete sehr unrühmlich mit einem tiefen Biss in seinem Nacken. Doch zu seiner Beruhigung trat Bambinchen aus dem Wald hervor und schaute versonnen in den Abendhimmel. Bepop atmete erleichtert auf.
„Hallo, dich habe ich lange nicht mehr gesehen, wie geht es dir?“, fragte er deshalb und kam ihr entgegen.
Bambinchen schaute ihn mit ihren Rehbraunen Augen an und sagte traurig:
„Gestern wurde mein Gefährte von einem Wolf angefallen und getötet. Ich hatte Glück und konnte seinem Freund im letzten Augenblick entwischen.“
„Oh, das tut mir sehr leid! Ich wusste gar nicht, dass es hier im Wald Wölfe gibt!“
„Sie sind auch noch nicht lange hier. Im Frühjahr müssen sich die beiden hierher verirrt haben. Seither töten sie alles, was nicht schnell genug rennen kann! Mein Gefährte hatte sich seinen Fuß in eine Falle verletzt und humpelte, sodass er für diese Raubtiere eine leichte Beute war! Nun muss ich mich um Pünktchen alleine kümmern.“ Fragend schaute Bepop Bambinchen an, doch die Frage wurde schnell beantwortet, denn ein junges Kitz schaute neugierig hinter einem Busch hervor und trat vorsichtig hinter seiner Mutter. Als es merkte, dass von Bepop keine Gefahr drohte, sprang es munter auf den Acker hin und her. Bepop hingegen machte sich aus dem Staub, denn er wollte nicht versehentlich von dem übermütigen Kerlchen getreten werden. Der Nieselregen hatte auch aufgehört und ein wunderschöner Regenboden verzierte den Abendhimmel. Allerdings schenkte Bepop dem keine Beachtung, denn sein Magen knurrte und er wollte heim. So trottelte er über das Stoppelfeld zurück, wobei er bemerkte, dass viele Regenwürmer aus der Erde an die Oberfläche kamen. Auch Grabekriecher hatte noch etliche Haufen gegraben. Aus einem schaute er mit seiner Schnauze hervor, als Bepop daran vorbei kam. Bepop begrüßte ihn kurz:
„Na, bist du wieder fleißig?“
„“Notgedrungen!“, knurrte Grabekriecher. Meine Gänge sind zum Teil durch den starken Regen eingebrochen. Nun muss ich neue machen!“ Mit diesen Worten verschwand er wieder unter der Erde und Bepop sah, wie der nächste Sandberg entstand. Sein Magen erinnerte ihn daran, dass er nun endlich nach Hause gehen sollte. So wetzte er hüpfend mit seinen kurzen Dackelbeinen über die Stoppeln. Als die ersten Häuser in Sicht kamen, verlangsamte er seine Schritte und schnüffelte in die Luft. Irgendwie roch es komisch, aber er konnte den Geruch nicht zuordnen. Er musste niesen. Er lief weiter und schlüpfte unter dem Zaun hindurch, der den Garten vom Acker trennte. Wie angewurzelt stockte er dann mitten im Schritt. Seine Augen begannen zu tränen und der Gestank war für ihn unerträglich. Er schaute zu Apfelluna. Sie sah merkwürdig schwarz aus und qualmte. Vorsichtig näherte er sich dem Baum und beschnüffelte ihn. Wieder musste niesen. Was war nur mit dem Baum geschehen? Normalerweise brummte er schon, wenn er sich ihm nur näherte und versuchte ihn zu vertreiben. Aber nun war er ganz still. Bepop schaute hoch. Die Zweige hingen schwarz und düster herunter. Provozierend hob er sein Bein, doch der Baum reagierte nicht. Wieder schaute er ihn an und fragte:
„Was ist los mir dir?“
Doch er bekam keine Antwort. Irritiert wandte er sich ab und trottete zur Seitentür des Hauses und begann zu bellen. Das war für seinen Mensch das Zeichen, dass er ins Haus wollte. Er musste einige Zeit Krach machen, bevor die Tür aufging. Sein Frauchen sah auf ihn herab und stieß einen Schrei aus. Mit seinen braunen Augen sah er sie unschuldig und schwanzwedelnd an. Er konnte diesen Schrei nicht so richtig zuordnen. Freute sie sich so? Sollte er sie anspringen, um sie gebührend zu begrüßen? Aber eigentlich hatte er gelernt, dass die Menschen das nicht so gerne hatten. Darum hüpfte er nur aufgeregt vor ihr und signalisiert, dass er auch glücklich war, wieder daheim zu sein. Doch sein Frauchen seufzte nur und schloss die Tür vor seiner Nase. Empört bellte er. Was sollte das denn? Er hatte Hunger, war müde und wollte ins Haus. Für Bepops Magen war es eine Ewigkeit, als sich die Tür wieder öffnete. Diesmal gab er sich besondere Mühe, seine Wiedersehensfreude zu zeigen. Doch statt freundlicher Worte breitete sie nur schimpfend ein altes, stinkendes Handtuch über ihn aus und wickelte ihn darin ein. Er verstand die Welt nicht mehr. Was hatte sie denn bloß? Sie trug ihn im Waschkeller und setzte ihn auf die Erde. Er ahnte böses, denn er bemerkte eine Wanne und roch das Wasser. Seine Nackenhaare sträubten sich. Wollte sie ihn etwas ins Wasser stecken? Verzweifelte suchte er nach einem Ausweg, um ihr zu entwischen. Aber offensichtlich hatte sie es geahnt und packte ihn resolut in seinem Nacken. Vergeblich strampelte er mit seinen Beinen. Ehe er sich versah, stand er bis zum Hals in schäumendes Wasser. Die scharfen Worte seines Frauchen ließen ihn den Widerstand aufgeben. Nachdem er in den Augen seines Frauchens sauber genug war – nach seiner Auffassung war er überhaupt nicht schmutzig – durfte er die Wohnung betreten. Sofort holte er seinen Fressnapf, um ihr klar zu machen, dass er hungrig war. Menschen sind ja manchmal so schwer von Begriff! Zu seiner Erleichterung verstand sie ihn und er bekam sein Fressen. Danach legte er sich in sein Körbchen und schlief zufrieden ein.

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Veröffentlicht8. März 2016 von Anne Düpjohann in Kategorie "Kurzgeschichte

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